Die ‚BI 239n – Nein danke‘ hat die Bürgermeisterkanditat/in/en zu verkehrspolitischen Positionen befragt. Hier die acht umfangreichen Fragen und die Antworten von Frank Drexhage:
Frage 1: Der Verkehrsentwicklungsplan nennt pauschal (je nach Planfall) ca. 30% Entlastung für den Bereich der Kernstadt. Bezogen auf die Einwohnerzahl wären das bei 13.135 Menschen in der Kernstadt eine Entlastung für 3.941 Menschen. Einer Entlastung im Bereich Kernstadt steht aber eine dann zusätzliche Belastung im Bereich der Ortsteile entlang der geplanten Trasse gegenüber. Das wird im VEP 2025 für Lage aber nicht angesprochen. Rechnet man nur für die vom Bau der B239n betroffenen Ortsteile ebenfalls 30% zusätzliche Beeinträchtigung auf die ansässige Bevölkerung um, so wären hier mindestens 4307 Menschen betroffen, mal ganz abgesehen von den erheblichen Kosten und gravierenden Auswirkungen auf Natur und Umwelt.
Wie beurteilen Sie die teils recht einseitige Argumentation des VEP mit der Hervorhebung der 30 % Entlastung für die Innenstadt? Was sagen Sie Ihren potentiellen Wählern in den betroffenen Ortsteilen?
Antwort zu 1: Die Planungen der Umgehung von Lage stammen aus Zeiten, in denen Themen wie „Umwelt“ und „Klimawandel“ noch weitgehend unbekannt waren. Heutzutage ist ein Neubau von Straßen m. E. immer nur als letzte Alternative zu sehen.
Die Umgehung der Stadt durch die B 239n vernichtet sowohl Natur als auch landwirtschaftlich genutzte Flächen. Außerdem wird die Verkehrsbelastung lediglich verschoben, nämlich zu Gunsten der Innenstadt und zu Lasten der von der Umgehungsstraße betroffenen Gebiete.
Statt in die Versiegelung der Landschaft zu investieren, sollten Finanzmittel den bislang vom innerstädtischen Straßenverkehr betroffenen Bürgern zur Dämmung der Häuser gegen Lärm zur Verfügung gestellt und zum Aufbringen von Straßenbelägen, die Lärm „schlucken“, verwendet werden.
Bevor in die Natur und landwirtschaftliche Flächen extrem eingegriffen wird, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: Der Anteil der mit elektrischer Energie betrieben Fahrzeuge wird in Zukunft steigen. Diese Entwicklung bedeutet schon weniger Lärm und Abgase. Darüber hinaus liegt die Zukunft m. E. in einem weiteren Ausbau eines preisgünstigen ÖPNV, der den Individualverkehr zu reduzieren hilft.
Ich befürworte den Bau von Umgehungsstraßen nicht.
Frage 2: In Lage ist in den letzten Jahren einiges im Bereich des ÖPNV (z.B. Aufwertung des Bahnhofs / Bau des ZOB in dessen direkter Nachbarschaft) geschehen. Das kann aber nur ein Anfang gewesen sein zu einer Verlagerung von möglichst viel Verkehr hin zu Verkehrsmitteln des Umweltverbundes (Zu Fuß gehen, Rad, ÖPNV, AST, Bürgerbus, Mitfahrbank).
Die Verkehrsplaner von SHP haben sehr deutlich herausgestellt, dass es Ziel der Stadt Lage sein muss, „auf mittlere Sicht eine Strategie des Lebens ohne Ortsumfahrung zu verfolgen“. Es gibt weiterhin erhebliches Entwicklungspotential im Bereich Förderung der Nahmobilität und vor allem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur.
Wie setzen Sie die Erkenntnisse der Verkehrsplaner in Ihrer Amtszeit um?
Antwort zu 2: Zunächst einmal muss der Straßenverkehr in Lage möglichst ohne Staus konzipiert werden. Dieses bedeutet eine intelligente Schaltung der Ampeln, um auch unnötige Wartezeiten zu vermeiden. Dort, wo es möglich ist, sind Straßenkreuzungen so umzubauen, dass der Verkehr besser abfließen kann. Ferner ist es notwendig, die Schrankenschließungen vor allem an der Heidenschen und Detmolder Straße zu verkürzen.
Darüber hinaus ist es jedoch dringend erforderlich, das Radwegenetz auszubauen bzw. bestehende Radwege zu ertüchtigen. Es muss den RadfahrerInnen möglich sein, das Fahrtziel sicher, zügig und ohne Umwege zu erreichen.
Es gibt in Lage eine Reihe unbekannter Fußwege und Tweten. Diese Wege müssen der Öffentlichkeit gezeigt und nutzbar gemacht werden. Dieses gilt auch bei Verbindungen zwischen den Ortsteilen und der Innenstadt. Bei Baumaßnahmen in der Stadt ist darauf zu achten, dass vorhandene Wege nicht verbaut und neue Fußwege geschaffen werden.
Frage 3: Naherholungsgebiete in der Werrreaue – Die Stadt Lage hat im unmittelbaren Umfeld sehr schöne zu Fuß und mit dem Rad gut erreichbare Naherholungsgebiete in den Werreauen und an den renaturierten Kiesteichen. Diese würden beim Bau der B239n von umfangreichen mächtigen Brückenbauten überquert werden oder durch die Straßenführung gar nicht mehr erreicht werden können. Wie gehen Sie mit dem damit verbundenen Verlusten um?
Antwort zu 3: Die durch den Straßenbau beeinträchtigten Gebiete sind m. E. für Naherholungszwecke verloren. Da gibt es nichts zu beschönigen. Als Bürgermeister werde ich bei den zuständigen Stellen auf einen Verzicht der Umgehungstraßen drängen.
Frage 4: Zukünftige Mobilität (in Lage) – Lage hat im Vergleich zu anderen Kommunen des Kreises Lippe einen deutlich höheren Anteil an motorisierten Individualverkehr. Anscheinend fehlt es an überzeugenden Alternativen? Experten beschreiben Mobilität der Zukunft mit den Schlagworten: CarSharing, Rad und Fußverkehr, Bürgerbusse, Anruf-Sammel-Taxis (AST) als Ergänzung eines verbesserten ÖPNV.
Wie stellen Sie sich die Mobilität der Zukunft vor?
Antwort zu 4: Die Mobilität der Zukunft sollte m. E. weg vom motorisierten Individualverkehr gehen. Durch attraktive Alternativen können BürgerInnen davon überzeugt werden, das Fahrrad oder den ÖPNV als Verkehrsmittel zu wählen und der KFZ-Individualverkehr wird abnehmen. E-Bikes sind diesbezüglich eine große Unterstützung.
Ferner müssen alternative Verkehrsmittel, und zwar diejenigen der Fragestellung gefördert werden. Die öffentliche Hand ist da in der Pflicht. Wer mehr Lebensqualität durch weniger Individualverkehr möchte, der muss auch in die Zukunftsmobilität investieren. Diese Zukunftsmobilität sollte aber auch funktionieren. Nichts nervt den Nutzer mehr als Versprechungen, die nicht eingehalten werden.
Als Bürgermeister der Stadt Lage werde ich mich für alternative Verkehrsmittel einsetzen.
Frage 5: Der Radverkehr bietet im Hinblick auf die gewünschte Reduzierung des Kfz-Anteils in Lage ein großes Potential, da bei entsprechender Ausgestaltung der Rahmenbedingungen viele der relativ kurzen Wege im Nahbereich bis 5km durch die Nutzung des Fahrrads ersetzt werden können. Der VEP nennt zahlreiche Beispiele für kurzfristig umsetzbare Maßnahmen (z.B. Heidensche Straße zur Fahrradstraße umbauen, zusätzliche Überquerungen des Stadtrings usw.)
Welche Projekte werden nach der BM – Wahl von Ihnen direkt angegangen?
Frage 6: Demographie – Die Stadt Lage und ihre Randgemeinden sind von ihrer Bevölkerung her noch jung und familienreich. Wie sieht Ihr Konzept bei demographisch gegenläufiger Entwicklung für die Zukunft aus, um die Gemeinden vor Abwanderung zu schützen?
Antwort zu 6 Wichtig für mich ist das Erhalten von Strukturen in den Ortsteilen. Schulen, Kitas, nach Möglichkeit kleine Nahversorger sollten gehalten oder wieder geschaffen werden. Die in den Ortsteilen wirkenden Ehrenamtler müssen unterstützt und Einrichtungen, die der Gemeinschaft dienen (Gaststätten, Versammlungsräume, Sporteinrichtungen) behalten werden.
Auch in diesem Zusammenhang sind ein funktionierender ÖPNV und eine gute Radwegeanbindung wichtig.
Als Bürgermeister der Stadt Lage werde ich einen engen Kontakt zu ehrenamtlich Tätigen halten, ihre Meinungen anhören und für die Gemeinschaft sinnvolle Projekte unterstützen. Hier werde ich meine Erfahrungen aus eigenen ehrenamtlichen Engagements in Kitas, Schulen und Sportvereinen einbringen.
Frage 7: Klimaschutz / Verkehrswende – Dieselskandal; CO-2 und Abgasproblematik sowie der durch hunderte Staumeldungen täglich dokumentierte Verkehrskollaps führen uns drastisch vor Augen, dass die einseitige Ausrichtung / Orientierung am motorisierten Güter- und Individualverkehr als bevorzugtes Mobilitätskonzept in Deutschland krachend gescheitert ist. Auch der jahrzehntelang forcierte Straßenneubau konnte dieses Problem nicht entschärfen. Straßenbau ist keine Lösung. Dadurch werden Probleme nicht gelöst, sondern zementiert. Eine nachhaltige Verkehrswende ist dringend erforderlich. Der Kreis Lippe hat sich zum Ziel gesetzt, den Masterplan 100 % Klimaschutz umzusetzen. Neben dem Natur- und Artenschutz kann viel auch lokal bewegt werden. Zitat VEP: „Wegen der übergeordneten Verkehrsfunktion der Straßen (B239; B66) sind verkehrsbeschränkende Maßnahmen zwar schwer durchsetzbar, abschnittsweise Tempo 30-Regelungen, beispielsweise während der Nachtzeit, oder Verkehrsbeschränkungen im Lkw-Verkehr, sind aber im Sinne der besseren städtebaulichen Integration der Straßen durchaus überlegenswert.“
Was wollen Sie dazu beitragen?
Antwort zu 7: Der Zeitgeist und die Vernunft sprechen eindeutig gegen den motorisierten Individualverkehr. Dessen negative Auswirkungen auf die Lebensqualität werde ich als Bürgermeister der Stadt Lage in Zusammenarbeit mit den Anliegern betroffener Straßen und Gebiete auf ein erträgliches Maß beschränken.
In der jüngeren Vergangenheit hat es seitens einiger Fraktionen im Lagenser Rat bereits Anträge zur Einrichtung von Zonen mit Tempo 30-Regelungen gegeben. Hier wird m. E. deutlich, dass der motorisierte Individualverkehr mehr und mehr als störend und auch gefährdend eingestuft wird.
Frage 8: Die umliegende Landwirtschaft leistet wichtige Beiträge für ausgewogene Umweltbedingungen, zur Versorgung mit regionalen Produkten und nicht zuletzt auch zum Erhalt und zur Pflege der Landschaft und stellt auch in der Tradition der Stadt viele Arbeitsplätze. Die Trassenführung der geplanten B239n wird zu erheblichen Einschränkungen der landwirtschaftlichen Flächennutzung führen.
Was wollen Sie für den Erhalt einer funktionierenden Landwirtschaft tun?
Antwort zu 8: Erstes Ziel sollte es sein, den Neubau der B 239n zu verhindern. Die Landwirtschaft wird eingeschränkt und Betriebe in ihrer Existenz möglicherweise gefährdet. Diese Folgen sind doch absehbar.
Ich werde mich hingegen mit den bäuerlichen Betrieben dahingehend zu verständigen versuchen, dass z. B. Ackerrandstreifen auch tatsächlich vom Düngen freigehalten werden und der Natur dadurch wieder mehr Raum zur Entwicklung gegeben wird. Außerdem sind Bäche und Flüsse soweit es geht wieder zu renaturieren. Auch hier ist ein Einvernehmen mit den landwirtschaftlichen Betrieben zu erreichen.
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